Um die Beziehung zwischen Umweltvariationen und der Struktur (und Funktion) von Artengemeinschaften besser zu verstehen, werden in ökologischen Studien zunehmend Urbanisierungsgradienten verwendet. Ansätze zur schrittweisen Untersuchung der Unterschiede zwischen städtischen und ländlichen Fledermausgemeinschaften scheinen dabei sehr vielversprechend, um Erkenntnisse über die Anpassungsfähigkeit verschiedener Fledermausarten an die Urbanisierung zu gewinnen. Aufgrund der Beschaffenheit der meisten Städte ist ein klassischer Urbanisierungsgradient allerdings eher selten zu finden. Für andere Städte hingegen scheint das Gradienten-Paradigma aber ein durchaus nützliches Instrument für die Erforschung der ökologischen Folgen der Urbanisierung zu sein. So bietet beispielsweise auch Berlin als die größte Stadt Deutschlands aufgrund der historischen Entwicklung und räumlichen Struktur (Metropole umgeben von einer dünn besiedelten Matrix) besonders geeignete Bedingungen für die Untersuchung des klassischen Wechselspiels zwischen Urbanisierungsintensität und Ausmaß sowie Qualität der verschiedener Biodiversitätselemente.
In der vorliegenden Studie wurde die Zusammensetzung von Fledermausgemeinschaften vor dem Hintergrund unterschiedlicher Urbanisierungsgrade mittels biokaustischer Methoden über einen Zeitraum von zwei Jahren untersucht. Der Grad der Urbanisierung wurde dabei auf der Grundlage von Entfernungsklassen definiert: in 5 km-Intervallen wurde ein einfaches lineares Transekt vom urbanen Kern der Stadt Berlin in Richtung Westen über die urbane Peripherie bis in die sehr ländlich geprägten Räume des Landes Brandenburg etabliert. Die Auswertung der Daten mittels linear-gemischte-Effekte-Modellen zeigt zunächst, dass die „Entfernungsklasse“ als sog. Proxy für den Urbanisierungsgrad für das Beispiel der Stadt Berlin tatsächlich ein aussagekräftiger und geeigneter Prädiktor für den Fledermausartenreichtum und die Diversität ist. Dabei zeigten sich ein unerwartet plötzlicher Anstieg des Artenreichtums und der Diversität von Fledermäusen sowie Veränderungen der artspezifischen Aktivitätsniveaus relativ nahe zum städtischen Zentrum, u. zw. am Übergang zwischen urbanen und peri-urbanen Gebieten. Diese Veränderung deutet auf einen sehr wichtigen Einfluss der peri-urbanen Gebiete als „Pufferzone“ hin. Die Ergebnisse verdeutlichen einmal mehr, dass die meisten Fledermausarten nicht in der Lage sind, sich an anthropogen veränderte Landschaften anzupassen, insbesondere an den inneren Kern von Ballungsgebieten, möglicherweise aufgrund der hohen Anzahl spezifischer Störfaktoren. In dieser Studie konnte bestätigt werden, dass das Ausmaß anthropogener Störfaktoren (wie Lärm und künstliches Licht) grundsätzlich gut geeignet ist, um die Variabilität der Aktivität von Fledermausarten entlang des Stadt-Land-Gefälles vorherzusagen; der tatsächliche Einfluss auf die beobachteten Veränderungen in der Fledermausgemeinschaft muss jedoch noch intensiver erforscht werden.
Veröffentlichung:
Starik, N., Gygax, L. & Göttert, T. Unexpected bat community changes along an urban–rural gradient in the Berlin–Brandenburg metropolitan area. Scientific Reports, 14, 10552 (2024). https://doi.org/10.1038/s41598-024-61317-7