Krankheiten können eine treibende Kraft bei der Gestaltung der genetischen Struktur von Populationen und sogar von Arten sein, insbesondere wenn die Auswirkungen auf besonders empfindliche Lebensphasen einwirken. Ein herausragendes Beispiel für diesen Prozess ist die Weißnasen-Krankheit, eine durch einen pilzlichen Krankheitserreger verursachte Infektion, die Fledermäuse während ihres Winterschlafes befällt. Diese Mykose hat in Nordamerika zu massiven Bestandsrückgängen bei anfälligen Arten geführt, insbesondere bei Fledermäusen der Gattung Myotis.
In Nordamerika sind die Myotis-Arten mit hohen Mortalitätsraten betroffen, während Myotis-Arten in Eurasien eine bemerkenswerte Toleranz gegenüber der Infektion aufweisen. Dies könnte auf eine lange Co-Evolution zwischen dem Pilz und seinen Fledermaus-Wirtstieren hindeuten. In diesem Kontext stellt sich die Frage: Wie wirken sich solche Krankheiten auf die genetische Anpassung und Evolution von Arten aus? Mit der Existenz sowohl anfälliger als auch toleranter Populationen bietet die Weißnasen-Krankheit eine einzigartige Gelegenheit, die Faktoren zu entschlüsseln, die zur Toleranz auf genomischer Ebene beitragen. Dies kann zu einem tieferen Verständnis der Evolution nicht-schädlicher Wirt-Parasit-Interaktionen führen.
Um zu erforschen, ob die Pilzkrankheit eine genetische Anpassung bei eurasischen Fledermausarten verursacht hat, haben wir sowohl Ansätze zur Ganzgenom-Sequenzierung als auch eine umfassende Literaturrecherche angewendet. Ziel war es, einen Datensatz von 300 Genen zu erstellen, um Signale positiver Selektion auf Codon-Ebene in den Genomen von 11 eurasischen Fledermäusen zu untersuchen. Unsere Ergebnisse zeigen signifikante positive Selektion in 38 Genen, von denen viele eine entscheidende Rolle in der Reaktion auf Infektionen spielen. Diese Entdeckungen deuten darauf hin, dass die Weißnasenkrankheit in der Vergangenheit einen erheblichen Selektionsdruck auf eurasische Myotis-Arten ausgeübt hat. Dies könnte zu ihrer Überlebensfähigkeit im Zusammenleben mit dem Krankheitserreger beitragen.
Die gewonnenen Erkenntnisse bieten Einblicke in die Selektionsdrücke, die Pathogene auf ihre Wirte ausüben. Diese Methodik kann auch auf andere Systeme von Wirt-Pathogen-Studien angewendet werden und liefert wichtige Informationen über die evolutionären Mechanismen, die zur Toleranz gegenüber Krankheiten führen. Die Erforschung der Wechselwirkungen zwischen Krankheitserregern und ihren Wirten ist entscheidend für das Verständnis von Evolutionsprozessen und deren Auswirkungen auf die Biodiversität. Durch das Studium der Anpassungen von Fledermäusen können wir wichtige Lehren über die Anpassungsfähigkeit und Resilienz von Arten in Zeiten ökologischer Veränderungen ziehen.
Insgesamt zeigt die Untersuchung, wie Krankheiten nicht nur Populationen dezimieren, sondern auch als Katalysatoren für genetische Veränderungen und evolutionäre Anpassungen fungieren können. In einer Welt, in der Krankheiten zunehmend Einfluss auf Tier- und Pflanzenpopulationen haben, ist es von entscheidender Bedeutung, diese Dynamiken zu verstehen, um effektive Schutz- und Erhaltungsstrategien zu entwickeln.
Original-Studie:
Twort, V. G., Laine, V. N., Field, K. A., Whiting-Fawcett, F., Ito, F., Reiman, M.,T. Bartonicka, M. Fritze, V. A. Ilyukha, V. V. Belkin, E. A. Khizhkin, D. M. Reeder, D. Fukui, T. L. Jiang & Lilley, T. M. (2024). Signals of positive selection in genomes of palearctic Myotis-bats coexisting with a fungal pathogen. BMC genomics, 25(1), 828. https://doi.org/10.1186/s12864-024-10722-3