Das Große Mausohr (Myotis myotis) zählt in der Schweiz zu den gefährdeten Arten mit höchster nationaler Priorität. Die Art gilt als Waldzielart, weil sie in vielen Gebieten der Schweiz und Mitteleuropas ihre Nahrung vor allem in Wäldern sucht. Dabei bevorzugt sie unterholzfreie Hallenwälder mit fehlender oder spärlicher Bodenbedeckung, wo sie als typische ground-gleaning bat in niedrigem Suchflug vor allem nach großen Laufkäfern jagt. Die vorliegende Studie hatte zum Ziel, den schon lange vermuteten Rückgang geeigneter Jagdlebensräume für das Große Mausohr im Wald zu belegen und damit die Dringlichkeit des bisher stiefmütterlich behandelten Lebensraumschutzes zu untermauern. Zudem sollte die Arbeit die Ausgangslage für konkrete Maßnahmen zur Förderung von Schlüsselhabitaten des Großen Mausohrs schaffen.

Ausgehend von einer Studie zur Jagdhabitatwahl aus der Ostschweiz in den frühen 1990er Jahren wurde nach knapp dreißig Jahren der Zustand der damals untersuchten Mausohr-Jagdgebiete und Wald-Referenzflächen erneut erfasst. Der Zeit-Vergleich ergab, dass heute im Untersuchungsgebiet rund die Hälfte der damaligen Waldjagdgebiete nicht mehr mausohrtauglich ist. Während damals die Jagdgebiete durchwegs in einschichtigen Waldflächen lagen und in diesen ein frei zugänglicher Waldboden dominierte, wächst heute in vielen dieser Flächen eine ausgeprägte Strauchschicht. Diese Änderungen in der Waldstruktur dürften einem allgemeinen Trend entsprechen, denn sie zeigten sich nicht nur bei den Mausohr-Jagdgebieten, sondern in paralleler Entwicklung ebenso in den Wald-Referenzflächen. Damit ist für die untersuchten Waldbestände, welche vor knapp dreißig Jahren noch einschichtige Hochwälder waren, die Zunahme des Unterholzes und der Krautvegetation als generelle Entwicklung zu interpretieren.

Trotz gesamtschweizerisch positiver Bestandsentwicklung in den letzten dreißig Jahren sind im Schweizer Mittelland die Populationen des Großen Mausohrs tendenziell rückläufig. Quartierverluste kommen als Ursache nicht in Frage, denn seit den 1980er Jahren sind dank fachlich betreuter Renovationen praktisch keine Wochenstubenquartiere mehr verloren gegangen. Es liegt auf der Hand, dass für die regional schleichende Bestandsabnahme die Ursache in einem nachhaltigen Verlust geeigneter Jagdlebensräume zu suchen ist. Da für das Große Mausohr in Mitteleuropa Wälder die wichtigsten Jagdlebensräume darstellen, dürfte vor allem der Rückgang mausohrtauglicher Hallenwälder dafür verantwortlich sein. Soll ein weiterer Lebensraumverlust vermieden werden, müssen möglichst bald konkrete Maßnahmen ergriffen werden, welche über den Schutz der Wochenstubenquartiere hinausgehen und neu auch die Jagdlebensräume miteinbeziehen. Als wichtigster Schritt zur Verbesserung der Lebensraumsituation des Großen Mausohrs ist der Erhalt noch bestehender Jagdlebensräume anzusehen. Aber auch die Wiederherstellung und Neuschaffung von Hallenwaldflächen sind vielversprechende Ansätze.

(Zusammenfassung entnommen aus der Originalstudie)

Original-Studie:

Güttinger, R., Bader, E. & Krättli, H. (2022): Jagdlebensräume des Grossen Mausohrs Myotis myotis in der Ostschweiz: Markanter Rückgang geeigneter Waldflächen innert drei Jahrzehnten. Berichte der St. Gallischen Naturwissenschaftlichen Gesellschaft, 94, 451–464.

Große Mausohren (Myotis myotis) im Winterschlaf (Foto: Anja Fritzsche)
Jagdlebensräume des Großen Mausohrs Myotis myotis in der Ostschweiz: Markanter Rückgang geeigneter Waldflächen innerhalb von drei Jahrzehnten.
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