Pseudogymnoascus destructans, der Erreger des Weißnasensyndroms in Nordamerika, hat Fledermauspopulationen auf dem nordamerikanischen Kontinent innerhalb eines Jahrzehnts drastisch dezimiert. Der Pilz befällt Fledermäuse während des Winterschlafs, wenn die physiologischen Funktionen, einschließlich der Immunreaktionen, herunterreguliert sind. Studien haben gezeigt, dass P. destructans ursprünglich in Europa heimisch ist, wo er bislang zur keiner erhöhten Mortalität geführt hat. Deshalb wurde bereits in verschiedenen Studien vermutet, dass europäische Fledermäuse eine effektive Immunabwehr entwickelt haben, die bei nordamerikanischen Fledermäusen fehlt. Es ist jedoch noch unklar, welche konkrete Abwehrstrategie europäische Fledermäuse befähigt, mit dem Erreger fertig zu werden. In dieser Studie wurden deshalb ausgewählte physiologische und immunologische Parameter bei winterschlafenden Großen Mausohren (Myotis myotis) untersucht, welche am häufigsten mit dem Pilz befallen werden. Dabei wurden drei verschiedene Infektionsgrade verglichen – asymptomatische, leichte und schwere Infektionen. Bei einem Teil der untersuchten Tiere wurden die Hauttemperaturen während eines Monats des Winterschlafes aufgezeichnet, um über die Körpertemperatur Torpor und Wachphasen zu analysieren. Es ist bekannt, dass pilz-befallene nordamerikanische Kleine Braune Fledermäuse (Myotis lucifugus) häufiger aus dem Torpor erwachen und somit ihre Energiereserven vorzeitig verbrennen, was zum Teil die hohe Mortalität erklärt. Dieses veränderte Aufwachmuster wurde bei pilzbefallenen Großen Mausohren nicht festgestellt. Auch die Körpertemperaturen blieben – anders als bei den amerikanischen Fledermäusen, die Fieberreaktionen zeigen – bei den Großen Mausohren trotz zum Teil schwerer Pilzinfektion unbeeinflusst. Im Allgemeinen erwachten Mausohren mit einem höheren Körpergewicht häufiger aus dem Winterschlaf und zeigten weniger schwere Krankheitssymptome als Individuen mit niedrigerem Körpergewicht. Das liegt höchstwahrscheinlich daran, weil die „fetteren“ Fledermäuse in der Lage waren, die Pilzinfektion häufiger abzuputzen und die Infektionen zu reduzierten als schwächere Individuen, die sich häufigere Wachphasen energetisch nicht leisten konnten. Als weiterer interessanter Aspekt wurde im Blut von schwer pilzinfizierten Mausohren höhere Genexpressionswerte eines entzündungsfördernden Zytokins (IL-1β) gefunden als bei leicht infizierten bzw. asymptomatischen. Dies weist auf eine Entzündungsreaktion der Tiere im torpiden Zustand hin, was gewissermaßen erstaunlich ist, denn man nahm ja bislang an, dass das Immunsystem während des Torpors ruht. Überraschende Weise gab es bei den Schwerinfizierten jedoch keine höheren, sondern niedrigere Werte bei Substanzen, die eine Rolle bei Immunreaktionen gegen mikrobielle Erreger spielen (Haptoglobin, Pro- und Antioxidantien), im Vergleich zu Artgenossen mit geringerem Infektionsgrad. Wir schlussfolgern daraus, dass Große Mausohren die Infektionen mit P. destructans während des Torpors tolerieren, indem sie ausgewählte Immunparameter nutzen, die noch in gewisser Konzentration im Blut vorhanden sind, ohne zusätzliche Immunmoleküle zu synthetisieren. Dies geschieht vermutlich, damit sie ihren Torpor nicht unterbrechen müssen, da das Immunsystem (und die Synthese von Immunmolekülen) nur bei normaler Körpertemperatur voll funktionsfähig ist.

Große Mausohren (Myotis myotis) mit Weißnasenkrankheit (Foto: M. Fritze)

Originalstudie:

Fritze, M., Puechmaille, S. J., Costantini, D., Fickel, J., Voigt, C. C., Czirják, G. Á. (2021): Determinants of defence strategies of a hibernating European bat species towards the fungal pathogen Pseudogymnoascus destructans. Developmental and Comparative Immunology 119 (2021), 104017.

Link: https://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S0145305X21000252?via%3Dihub

Abwehrstrategien einer überwinternden europäischen Fledermausart gegenüber der Weißnasenkrankheit