Das für die derzeitige Pandemie verantwortliche neuartige Coronavirus SARS-CoV-2 ist phylogenetisch mit Fledermaus-Coronaviren (CoVs) verwandt, insbesondere mit dem Virus Bat-CoV-RaTG13, das bei einer chinesischen Fledermausart der Familie Rhinolophidae nachgewiesen wurde. Während Fledermaus-Coronaviren aber nachweislich nie direkt auf den Menschen übertragen wurden, sind im umgekehrten Fall die möglichen Auswirkungen von SARS-CoV-2 auf Fledermauspopulationen unbekannt, ebenso wie die Fähigkeit der Fledermäuse, als Reservoir oder Zwischenwirt zu dienen, der das Virus wieder auf den Menschen oder andere Tierarten übertragen kann. Um die Auswirkungen von SARS-CoV-2 auf Fledermäuse zu untersuchen, hat ein nordamerikanisches Forscherteam versucht, die dort vorkommende Große Braune Fledermaus (Eptesicus fuscus) experimentell mit SARS-CoV-2 unter Laborbedingungen zu infizieren. Sie inokulierten das Virus sowohl über den Mund-Rachenraum als auch nasal in die Fledermäuse und untersuchten die Tiere anschließend über einen Zeitraum von drei Wochen hinsichtlich der Infektiosität, der Pathologie, der Viruskonzentration im Gewebe, der oralen und rektalen Virusausscheidung, der Virusübertragung und der klinischen Krankheitsanzeichen. Dabei war bei keiner der untersuchten Fledermäuse ein Hinweis auf eine SARS-CoV-2-Infektion nachweisbar. Basierend auf diesen Ergebnissen schlussfolgern die Autoren, dass Große Braune Fledermäuse resistent gegen eine Infektion mit SARS-CoV-2 sind. Die mögliche Anfälligkeit anderer nordamerikanischer oder eurasischer Fledermausarten für SARS-CoV-2 muss jedoch noch untersucht werden.
Auch wenn diese Studie einen weiteren Hinweis darauf gibt, dass eine Übertragung von SARS-CoV-2 auf Fledermäuse sehr unwahrscheinlich ist, raten wir weiterhin zur Vorsicht. Fledermäuse sind zwar aufgrund ihres einzigartigen Immunsystems in der Lage, mit vielen verschiedenen Krankheitserregern, inklusive Coronaviren, umzugehen, ohne selbst dabei zu erkranken oder diese an ihre Artgenossen weiterzugeben. Dennoch demonstrierte die experimentelle Studie des Friedrich-Löffler-Instituts eine Übertragung von SARS-CoV-2 auf Flughunde (siehe vorherige Berichte). Somit bleibt weiterhin zu klären, welche Fledermausarten vulnerabel für SARS-CoV-2 sind. Es könnte hier nämlich artspezifische Unterschiede geben, weshalb anhand der eingangs beschriebenen nordamerikanischen Studie noch keine endgültige Entwarnung gegeben werden kann.
Sollte entgegen aller Wahrscheinlichkeit eine Übertragung stattfinden, und sich ein neues Reservoir von SARS-CoV-2 in den Tieren bilden, hätte dies gravierende negative Folgen für den Fledermausschutz.
In nächster Zeit beteiligen sich viele Fledermausschützer an Winterquartierkontrollen, um Individuen zu zählen und Daten zu sammeln, die Rückschlüsse auf die Bestandsentwicklungen zulassen. Auch während dieser Begehungen ist angeraten, entsprechende Vorsicht walten zu lassen. Dabei sollten nicht nur die allgemein bekannten Verhaltensregeln eingehalten werden, die ein Aufwachen und damit eine Störung der empfindlichen Tiere aus dem Winterschlaf vermeiden sollen, sondern auch erweiterte Hygiene-Maßnahmen in Bezug zu SARS-CoV-2 getroffen werden.
In der Handlungsempfehlung vom April 2020, die von Fledermauswarte, Bundesverband für Fledermauskunde, Noctalis und Berliner Artenschutzteam verfasst wurde, haben wir bereits einige Hinweise zur Durchführung von Quartierkontrollen gegeben. Zur Erinnerung möchten wir darauf hinweisen, dass diese Maßnahmen auch für die Winterquartierkontrollen wirksam sind. So wird als wichtigste Maßnahme das Tragen von Handschuhen und eines Mund-Nasenschutzes empfohlen. Des Weiteren sollte, wenn möglich, ein Mindestabstand von 2 m zu den Tieren eingehalten werden. Der Aufenthalt in kleinräumigen Quartieren sollte auf eine minimal notwendige Personenzahl begrenzt werden, sowie die Aufenthaltszeit nicht länger als 15 min im Quartier dauern. Fledermauskundler, die positiv auf SARS-CoV-2 getestet wurden oder Krankheitssymptome zeigen, dürfen keine Quartiere betreten. Im Zweifel wird vorab zu einem Antigen-Schnelltest geraten. Für den Umgang mit den Tieren erforderliche Utensilien sollten vor und nach Gebrauch desinfiziert bzw. entsorgt werden.
Referenz der oben beschriebenen Studie:
Hall, Jeffrey S.; Susan Knowles, Sean W. Nashold, Hon S. Ip, Ariel E. Leon, Tonie Rocke, Saskia Keller, Mariano Carossino, Udeni Balasuriya, Erik Hofmeister (2020): Experimental challenge of a North American bat species, big brown bat (Eptesicus fuscus), with SARS‐CoV‐2. Transboundary and Emerging diseases (in press). URL: https://onlinelibrary.wiley.com/doi/10.1111/tbed.13949