Das Altersprofil von Fledermauspopulationen hat einen grundlegenden Einfluss auf ihren Erhaltungszustand. Allerdings ist das Alter bei Fledermäusen wie bei sämtlichen anderen wildlebenden Tierarten häufig schwer zu bestimmen. Eine neue Studie unter der Leitung von Forschern der University of Maryland zeigt nun, dass es mithilfe von DNA aus Gewebeproben der Flughaut möglich ist, das chronologische Alter von wildlebenden adulten Fledermäusen anhand sog. Methylierungsprozesse im Genom ziemlich genau vorherzusagen. Darüber hinaus geben die Ergebnisse Einblicke in mögliche Mechanismen, die hinter der außergewöhnlichen Langlebigkeit vieler Fledermausarten stehen.
Die Studie erschien in der Ausgabe vom 12. März 2021 der Zeitschrift Nature Communications. Dies ist die erste Forschungsarbeit, die zeigt, dass eine Altersbestimmung für Tiere in freier Wildbahn möglich ist und zwar mithilfe einer sog. „epigenetischen Uhr“, die das Alter auf der Grundlage spezifischer Veränderungen in der DNA vorhersagt. Dieser Ansatz wurde bereits im Zusammenhang mit der Altersbestimmung beim Menschen diskutiert, stellt jedoch ein völlig neues Werkzeug für Biologen dar, Tiere in freier Wildbahn untersuchen.
Die Forscher untersuchten die DNA von 712 Fledermäusen bekannten Alters aus 26 Arten und 6 Familien, um Veränderungen in der DNA-Methylierung an Stellen im Genom zu finden, von denen bekannt ist, dass sie mit dem Alterungsprozess in Verbindung stehen. Der biologische Prozess des Alterns kombiniert sowohl programmierte als auch umweltbedingte Prozesse. Die DNA-Methylierung ist ein Prozess, der Gene ausschaltet. Er findet während der gesamten Entwicklung statt und ist ein wichtiger Regulator für Zellen. Insgesamt nimmt die Methylierung im gesamten Genom mit dem Alter tendenziell ab. Das Vorhandensein oder Fehlen von Methylgruppen an der C5-Position von Cytosinen gefolgt von Guaninen („CpG-Stellen“) spielt eine wichtige Rolle bei der Kontrolle der Genexpression, da Veränderungen der Methylierung an CpG-Stellen mit Veränderungen der Transkriptionsraten von Genen verbunden sind.
Mit Hilfe von sog. machine learning Algorithmen zur Erkennung von Mustern in Daten fanden die Forscher heraus, dass sie das Alter einer Fledermaus basierend auf Veränderungen der Methylierung an 160 Stellen im Genom auf ein Jahr genau schätzen konnten. Die Daten zeigten darüber hinaus, dass sehr langlebige Fledermausarten insgesamt weniger Veränderungen in der Methylierung aufweisen, wenn sie altern, als kürzer lebende Fledermäuse. Das Team um G. Wilkinson analysierte dazu die Genome von vier verschiedenen Fledermausarten – drei langlebige und eine kurzlebige – um die spezifischen Gene in jenen Regionen des Genoms zu identifizieren, in denen altersbedingte Unterschiede in der Methylierung mit der Langlebigkeit korrelierten. Sie fanden spezifische Stellen im Genom, an denen die Methylierung mit dem Alter bei den kurzlebigen Fledermäusen eher zunahm als abnahm, nicht aber bei den langlebigen Fledermäusen. Diese Stellen befanden sich in der Nähe von 57 Genen, die häufig in Krebstumoren mutieren, und 195 Genen, die an der Immunität beteiligt sind. Interessant ist, dass die Stellen, an denen bei den kurzlebigen Fledermäusen eine mit dem Alter zunehmende Methylierung dokumentiert wurde, in der Nähe von Genen liegen, die nachweislich an der Tumorentstehung und an der Immunantwort beteiligt sind. Das deutet darauf hin, dass in diesen Regionen die für die Langlebigkeit verantwortlichen Mechanismen gesteuert werden.
Die Analyse der Methylierung kann einen Einblick in viele altersbedingte Unterschiede zwischen den Arten geben und so zu einem besseren Verständnis der Ursachen für altersbedingte Rückgänge bei vielen Arten beitragen. Da die Methylierungsmuster recht einheitlich sind, könnte dieser Ansatz auch für andere als die in der Studie untersuchten Fledermausarten Anwendung finden. Informationen über das Alter einzelner Individuen in Fledermauspopulationen sind enorm wichtig, um Populationsstrukturen zu ermitteln und können beispielsweise Aufschluss über die Auswirkungen verschiedener Umweltbedingungen auf die Lebensfähigkeit verschiedener Kolonien geben. Darüber hinaus könnten auch die Altersschätzungen für wiedergefangene beringte Tiere deutlich konkretisiert werden. Die beschriebene Methode ist von großen praktischem Nutzen für den Fledermausschutz, da zahlreiche Arten von ökologischen Fragen damit beantwortet werden könnten.
Gerald S. Wilkinson, Danielle M. Adams, Amin Haghani, Ake T. Lu, Joseph Zoller, Charles E. Breeze, Bryan D. Arnold, Hope C. Ball, Gerald G. Carter, Lisa Noelle Cooper, Dina K. N. Dechmann, Paolo Devanna, Nicolas J. Fasel, Alexander V. Galazyuk, Linus Günther, Edward Hurme, Gareth Jones, Mirjam Knörnschild, Ella Z. Lattenkamp, Caesar Z. Li, Frieder Mayer, Josephine A. Reinhardt, Rodrigo A. Medellin, Martina Nagy, Brian Pope, Megan L. Power, Roger D. Ransome, Emma C. Teeling, Sonja C. Vernes, Daniel Zamora-Mejías, Joshua Zhang, Paul A. Faure, Lucas J. Greville, Steve Horvath. DNA methylation predicts age and provides insight into exceptional longevity of bats. Nature Communications, 2021; 12 (1) DOI: 10.1038/s41467-021-21900-2