Windkraftanlagen erzeugen grüne Energie und tragen somit zu den Klimaschutzzielen bei. Windkraftanlagen töten allerdings auch jedes Jahr Tausende von Fledermäusen durch Kollision oder Barotrauma. Beteiligte Akteure müssen in diesem emotionsgeladenen grün-grün Dilemma wichtige Entscheidungen treffen. Allerdings haben beteiligte Akteure auch unterschiedliche Ansichten darüber, was in diesem Dilemma wichtiger ist: grüne Energie oder der Artenschutz.
Im März 2019 wurde am Leibniz- Institut für Zoo- und Wildtierforschung eine Umfrage mit Akteuren aus dem Windenergiesektor, Naturschutzbehörden und Umwelt- und Naturschutzorganisationen, sowie Forschern und Gutachtern durchgeführt, um das Thema auch aus sozialwissenschaftlicher Sicht zu beleuchten. Aus den insgesamt 537 Antworten entstanden zwei Publikationen (Voigt et al. 2019; Straka et al. 2020). In der ersten Publikation wurden die unterschiedlichen Sichtweisen der beteiligten Akteure dargestellt. Akteure aus dem Windenergiesektor waren hierbei beispielsweise mehr als andere Akteure der Meinung, dass die Windenergieerzeugung eine höhere Priorität hat als die Ziele der Biodiversität, dass die Energiewende zum Naturschutz beiträgt oder dass eine Verzögerung in der Entwicklung des Windenergiesektors aufgrund des Biodiversitätsschutzes weniger akzeptabel ist. Der Großteil der Befragten (80 %) war sich darüber einig, dass es einen Konflikt zwischen der Produktion von grüner Energie und dem Fledermausschutz gibt. Weiterhin waren sich die meisten Akteure darüber einig, dass mehr Forschung nötig ist, um Lösungen für dieses grün-grün Dilemma zu finden (Voigt et al. 2019).
Während die verschiedenen Sichtweisen einige Schnittmengen aber auch sehr verschiedene Standpunkte verdeutlichen, stellte sich für die Autoren die Frage, was die Menschen daraus lernen können, um die Zusammenarbeiten zwischen den Akteuren im Spannungsfeld Ausbau der Windenergie zu verbessern. Aus der sozialwissenschaftlichen Literatur ist bekannt, dassVertrauen die zentrale Basis für erfolgreiche Zusammenarbeit zwischen Akteuren darstellt. In diesem Zusammenhang spielen Überzeugungen, Emotionen und Werte von den Akteuren eine große Rollen, denn diese beeinflussen das Vertrauen zueinander.
Basierend auf diesen Theorien war das Ziel der zweiten Publikation aus der Umfrage zu verstehen, i) wie sich zum einen das Vertrauen der Akteure untereinander, aber auch zu Politikern in Bezug auf Klima- und Artenschutzziele unterscheidet, ii) welche der Vertrauen beeinflussenden Komponenten (Werte, Überzeugungen oder Emotionen) hierbei eine Rolle spielen und iii) wie die Akteure sich neben ihren Überzeugungen in Bezug auf Windkraft auch in ihren Werten im Umgang mit der Natur und ihren Emotionen gegenüber Windkraft und Fledermäuse unterscheiden.[1]
Die drei wesentlichen Gemeinsamkeiten in Bezug auf Vertrauen waren, dass das Vertrauen in Politiker insgesamt sehr gering war. Im Gegensatz dazu zeigten alle Akteure ein hohes Vertrauen in Umwelt- und Naturschutzorganisationen. Beim Vertrauen gegenüber Akteuren aus dem Windenergiesektor war das Vertrauenslevel unter den Akteuren unterschiedlich. Während Mitglieder aus dem Windenergiesektor ihrer eigenen Gruppe relativ viel Vertrauen entgegenbrachten, hatten die meisten anderen Akteure (zum Beispiel Gutachter, Behördenvertreter, ehrenamtliche Naturschützer) kein großes Vertrauen in Mitglieder aus dem Windenergiesektor.
Die sozialwissenschaftlich spannende Frage hierbei weiterhin, welche der gemessenen Komponenten – Werte, Emotionen oder Überzeugungen – das Vertrauen am meisten beeinflussen. In dieser Analyse wurde sichtbar, dass Überzeugungen wie etwa die Wichtigkeit der Windenergieanlagen gegenüber Artenschutz, den meisten Einfluss in das Vertrauen unter den Akteuren haben. Diese Überzeugungen über die Relevanz von Windkraftanlagen wurden vor allem von Akteuren des Windenergiesektors geteilt, im Gegensatz zu Akteuren aus dem ehrenamtlichen Naturschutz.
Dass Überzeugungen einen hohen Einfluss auf das Vertrauen der Akteure zueinander haben und hier eine große Diskrepanz herrscht, kann zunächst als eine große Herausforderung angesehen werden. Allerdings wurde in der Studie auch sichtbar, dass die Akteure in ihren Werten im Umgang mit der Natur überwiegend übereinstimmen. Alle Akteure schätzten einen nachhaltigen Umgang mit der Natur.
Zusammenfassend zeigte die Studie, dass unter den agierenden Akteuren im Spannungsfeld Windenergie und Artenschutz fehlendes Vertrauen gibt, was eine Lösung des Konfliktes erschwert. Die gute Nachricht ist aber, dass alle Akteure in ihren Werten zum nachhaltigen Umgang mit der Natur übereinstimmen.
Als mögliche praktische Hinweise aus dem Fazit der Studie schlagen wir vor, dass Interaktionen zwischen den Akteuren stärker gefördert werden sollten, da Interaktionen Vertrauen und Zusammenarbeit fördern. Dazu gehört auch, dass Prozesse transparent und Machtstrukturen geteilt werden, um alle Akteursgruppen gleichermaßen in die Entscheidungsfindungen einzubeziehen. Des Weiteren sollten neben einem evidenz-basierten Wissensaustauch auch die unterschiedlichen Überzeugungen der Akteure in Bezug auf grüne Energie und Schutz der Artenvielfalt während Diskussionen und Lösungsfindungsprozessen berücksichtigt werden – nur wenn man die Überzeugungen anderer respektiert und sich dessen bewusst ist, kann man gezielt Probleme lösen und zum Beispiel Kompromisse finden.
Tanja Straka, Marcus Fritze
Referenzen:
- Voigt, C.C., Straka, T.M., Fritze, M. (2019): Producing wind energy at the cost of biodiversity: A stakeholder view on a green-green dilemma. Journal of Renewable and Sustainable Energy 11, 063303 (2019); https://doi.org/10.1063/1.5118784.
- Straka, T. M., Fritze, M., Voigt, C.C. (2020): The human dimensions of a green–green-dilemma: Lessons learned from the wind energy — wildlife conflict in Germany. Energy Reports (6), 1768–1777; https://doi.org/10.1016/j.egyr.2020.06.028.
[1] Die Öffentlichkeit ist natürlich auch ein wichtiger Akteur, wenn es um Windkraftanlagen geht. Allerdings wurde in dieser Studie die Öffentlichkeit nicht mit einbezogen, da es bereits ausreichend Literatur über das sogenannte Nimby- Phänomen (‚Not in my backyard‘) gibt.